16.03.2014, Sonntagszeitung

Starfotograf und Kaninchenzüchter

Ron Galella hat sie alle abgelichtet, die Berühmtheiten der 60, 70er und 80er. Jetzt hat er seine besten Aufnahmen in einem Buch zusammengefasst.

Von Stephanie Rebonati

Marlon Brando schlug ihm fünf Zähne raus. Jackie Kennedy-Onassis zog ihn mehrmals vor Gericht. Andy Warhol nannte ihn seinen Lieblingsfotografen. Ron Galella, 83, jagte die Stars der 60er, 70er und 80er durch die Vereinigten Staaten. Nun legt der «Paparazzo Extraordinaire» einen Bildband mit Fokus New York vor. Sein 2006 veröffentlichtes Werk «Disco Years» wurde von der «New York Times» zum besten Fotobuch des Jahres gekürt.

Doch Ron Galella ist kein Meister wie Richard Avedon oder Henri Cartier-Bresson. Er ist ein Handwerker, ein Do-it-yourself- Typ, ein selbst ernannter Opportunist. Er ist umstritten. Aber er hat damals etwas für die Ewigkeit festgehalten, das man heute vermisst: eine gewisse Laissez-faire- Haltung, Glamour. Auf seinen Schnappschüssen sind alle blutjung, sie feiern, nutzen die Gunst der Stunde, sind unbekümmert. Weit und breit keine Stylisten, Assistenten, keine PR-Entourage, Bodyguards und kein Internet. Man war frei.

Ron Galella, ein italo-amerikanischer Kunsthochschulabsolvent aus der Bronx, fotografierte Diane von Fürstenberg im Studio 54, mit angewinkelten Beinen, müde vom stundenlangen Tanzen. Er verfolgte Sean Penn und Madonna, turtelnd auf dem Heimweg. Er lichtete einen grinsenden Mick Jagger an Jerry Halls 25. Geburtstag ab, im Kultlokal Mr. Chow in Chinatown. An einem Abend Grace Jones auf einem Motorrad im La Farfalle Nachtclub, am nächsten Jean-Michel Basquiat an einer Vernissage. Ron Galella war unermüdlich, was ihm auch seine Kritiker hoch anrechnen. Ein Nein akzeptierte er nicht.

Jackie Kennedy war seine Muse, seine «Mona Lisa», wie er sie im Dokumentarfilm «Smash His Camera» nennt. Der Titel des Films stammt von der ehemaligen First Lady selbst. Am 24. September 1967 radelte sie mit John Jr. durch den Central Park, als Ron Galella aus den Büschen sprang. Jackie rief dem Sicherheitsbeamten zu: «Zerschmettere seine Kamera!» Ron Galella ist eine ulkige Figur, schamlos, getrieben von einer nahezu kindlichen Naivität. Er lacht mit weit aufgerissenem Mund. Beim Fotografieren trug er immer einen Anzug, nie einen Mantel, schliesslich müsse man den Anschein erwecken, Teil der Gang zu sein, niemals Eindringling.

Seit den frühen 90ern lebt Galella mit seiner Frau Betty in Montville, New Jersey. Das Paar liebt Kaninchen, hält Dutzende davon und hat ihnen einen Friedhof gebaut. Im Garten des Soprano-mässigen Anwesens pflanzt Galella zur Empörung seiner Betty künstliches Efeu, bemalt handgefertigte Windmühlen und stellt Imitationen korinthischer Säulen auf. An den Wänden in der Villa omnipräsent die Stars von damals, «die Oldtimers». Ron Galella war egal, was Mick, Jerry, und Co. taten, um berühmt zu sein. Er war fasziniert von der Prominenz per se, wollte sie unangekündigt einfangen. Die einen nennen Ron Galella einen Soziopathen, die anderen, Andy Warhol etwa, liebten ihn. Fakt ist, dass er der einzige Paparazzo ist, dessen Namen man kennt.

Ron Galella, New York, Damiani Editore, 2014

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