04.03.2012, Sonntagszeitung
Die Schweizerin Blanda Eggenschwiler macht in New York als Illustratorin Furore.
Von Stephanie Rebonati
Foto: Aimee Blaut
Illustration: Blanda Eggenschwiler
Draussen hört man Sirenen, Hupen, das Brüllen des Verkehrs. Drinnen, auf ihrem Bett in ihrer WG in Downtown Manhattan, sitzt die Grafikerin Blanda Eggenschwiler und entschuldigt sich: «Noch zwei Minuten, diese Skizze muss ich einem Kunden mailen.» Vor zehn Jahren war die 26-Jährige ein gefragtes Model, warb für Zahnbürsten, Unterwäsche und Shampoos. Mittlerweile ist sie eine erfolgreiche Nachwuchsgrafikerin und lebt seit fünf Jahren in New York. Den Kontakt zur Schweiz hat sie nicht verloren. Noch bis heute stellt sie an der Werkschau Grafik 12 in der Maag-Halle in Zürich aus.
Der Durchbruch gelang Eggenschwiler im vergangenen Herbst. Für das New Yorker Label Obey des Street-Art-Künstlers Shepard Fairey, das zu den weltweit gefragtesten Marken zählt, entwarf sie eine dreiteilige Schmuckkollektion und eine limitierte Serie von T-Shirts. Diese waren im Nu ausverkauft; in Magazinen und Blogs gabs viel Lob. «Diese Kollaboration hat mir Türen geöffnet», sagt sie. Wie viele ihrer Arbeiten, sind auch die Frauen-Illustrationen auf den T-Shirts von klaren Linien geprägt. Üppige Collagen paaren sich mit Zeichnungen. Bereits plant Blanda eine neue Kollaboration: Mit dem Schweizer Model Angela Martini hat sie zwei Modelle für deren Bikini-Kollektion entworfen. Die kupferstichartigen Collagen von Füchsen, Glyphen und Pfeilen seien an einem «kreativen Abend» entstanden.
«Hello, Marilyn Bardot», begrüsst sie der Kellner
«Okay, gehen wir», sagt die Grafikerin und wirft sich einen dunkelroten Mantel über. Ohne Make-up und ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen. In Soho wählt sie Lovely Day, ein Lokal mit Blumentapete und asiatischer Küche. Vom Kellner wird die junge Schweizerin mit «Hello, Marilyn Bardot» begrüsst. Ihr Muttermal, ähnlich wie jenes der Monroe, und ihr verführerischer Blick à la B. B. scheinen Eindruck zu machen.
1985 auf einem Futon in Zürich geboren, wuchs Eggenschwiler als Tochter «toller Hippie-Eltern» auf, die sie von klein auf unterstützten. Ihr Vater war Zeichenlehrer und spielte mit ihr oft das Spiel: Sag mir ein Wort, und ich male es für dich. «Ich sagte immer Hund», sagt Blanda. Irgendwann wurden die Rollen getauscht, und sie malte. Die Leidenschaft fürs Zeichnen blieb. Eines ihrer Vorbilder ist Henri de Toulouse-Lautrec, der mit Plakaten fürs Variété Moulin Rouge berühmt wurde. «Toulouse war ein Hipster; ein multidisziplinärer Künstler, der schon zu seiner Zeit Illustration und Grafikdesign vereinte.»
Eggenschwiler besuchte das Kunstgymnasium Liceo Artistico in Zürich, absolvierte Praktika in Grafikbüros und Werbeagenturen und studierte an der School of Visual Arts Grafikdesign. Wenig später wurde sie von einem ihrer Dozenten der «New York Times» als Art Director empfohlen. Sie nahm den Job an, blieb ein Jahr, «bis der Durst nach Kreativerem» stärker wurde. Heute arbeitet Blanda Eggenschwiler selbstständig, konzipiert für Modelabels, Restaurants, Unternehmen und Clubs Plakate, Broschüren, Flyer oder Menükarten. «Ich träume von einem eigenen Unternehmen, von Angestellten, von einem explosiv kreativen Ensemble.» Und sie träumt von einer Welt voller Frauenpower. «Alpha-Männner sind passé, es ist Zeit für Alpha-Babes», sagt sie und bestellt in akzentfreiem Englisch Scrambled Eggs with Bacon, Blue Cheese and Tomato.