28.10.2019, NZZ Bellevue

Wenn Essen und die dazu passende Musik Menschen zusammenbringt

Das erste Kochbuch vom amerikanischen Hip-Hop-Star Questlove ist eine Hommage ans Beisammensein. «Mixtape Potluck» liefert Zutaten und den dazugehörigen Soundtrack für die perfekte Dinner Party.

Von Stephanie Rebonati

«Food ist Therapie», sagte Ahmir Khalib Thompson kürzlich in der Morgenausgabe der Today Show auf NBC. Thompson, der unter dem Künstlernamen Questlove und als Schlagzeuger, DJ, Produzent und vor allem Mitbegründer der Hip-Hop-Band The Roots bekannt ist, hat sein erstes Kochbuch publiziert.

Es ist nicht seine erste Publikation übers Essen, doch in «Mixtape Potluck» veröffentlicht der Musiker erstmals Rezepte. Nicht seine eigenen, wie der Titel bereits erahnen lässt (ein Potluck ist eine Zusammenkunft, bei der jeder Gast eine Speise beisteuert), sondern jene von Freunden, die er mit der Bitte einlud, ihre persönlichen Potluck-Spezialitäten gleich mitzubringen. Questlove paarte diese mit Songs, woraus eine feine Playlist entstand.

Von der Kunsthistorikerin zum Komiker
Thelma Golden, Direktorin und Chefkuratorin des Studio Museum in Harlem, brachte hausgemachtes Ginger Beer nach dem Rezept ihrer Mutter, was Questlove mit «Fuck the Industry» kombinierte, einem Track von Solange. Natalie Portman backte Spinatwähe, die mit den Beach Boys untermalt wurde und Jimmy Fallon, mit dem Questlove jeden Wochenabend die Tonight Show präsentiert, tischte Burger mit luftgetrocknetem Poulet auf, wozu Bruce Springsteen lief. Und so geht es weiter mit 58 Gästen, die aus allen Gesellschaftsbereichen stammen und alle mit Questlove verbandelt sind.

Drei Einblicke ins Buch:

1. Kreolische Reispfanne von Tanya Holland, Track: «Let’s Get Down» von Tony! Toni! Toné!

Peperoni, Jalapeño, Hühnerleber, Schweinewurst, Thymian, Tamari und mehr, das Reisgericht von Köchin und Autorin Tanya Holland fasst für Questlove zusammen, was er unter Soul Food versteht.

2. Schneckennudel von Dominique Ansel, Track: «Sweet Sticky Thing» von The Ohio Players

Dass ein Konditor und Erfinder des Cronut (einer Croissant-Doughnut-Kreuzung) Reichhaltiges serviert, war klar. Ahornsirup, Rahm, Butter, Honig und Zucker machen dieses Dessert gar zur deftigen Sache.

3. Vegi-Quiche von Amy Poehler, Track: «It May Be Winter Outside» von Love Unlimited

Mit dem Einsatz von Gruyère, Ziegenkäse, Spinat, Spargel und Pilzen bereitet Komikerin Amy Poehler eine Quiche zu «That Will Blow Everyone’s Minds», so das Versprechen im Untertitel ihres Kapitels.

Die Gemeinschaft im Fokus
Was Questlove mit «Mixtape Potluck» sagen will? Ihm geht es um Gemeinschaft: «Mich interessiert das soziale Erlebnis, die connection». Der 48-Jährige versteht Kochen und Essen als Rituale, als Werkzeug, das Menschen zusammenbringt. Treffen kreative Köpfe aufeinander, werden Ideen ausgetauscht, Neues entsteht. Deshalb setzt er wohl Essen mit Therapie gleich. So engagiert er sich mit dem gemeinnützigen Verein Edible Schoolyard NYC für den Zugang von Schulkindern zu gesundem Essen. Gerne lädt er sein Umfeld zu Food Salons bei sich Zuhause ein, an denen Köche am Herd stehen, die ihn inspirieren (Spitzenkoch Daniel Humm war auch schon da).

Inspiriert von seiner Oma und Neo-Soul-Diven
Wer meint, dieses Interesse an der Kulinarik sei Neuland für Questlove, liegt falsch. Das sonntägliche Abendessen bei seiner Grossmutter, welches er 2017 in der Vogue als «the most exquisite soul-food dinner ever» beschrieb, prägten ihn und seinen Gaumen nachhaltig. Später, Ende der 1990er-Jahre engagierte er einen Koch, der an den berühmten Black Lily Jam Sessions in Philadelphia Neo-Soul-Ikonen wie Macy Gray, Erykah Badu, Jill Scott und Co. nährte, die zusammenkamen, um Musik zu machen.

Hier ist Questlove Zuhause: inmitten von Liebsten, die im Kollektiv kreieren und eine Community bilden. Dass Musik dabei von zentralster Bedeutung ist, liegt auf der Hand. Deshalb teilt er im Nachwort sein Rezept für die perfekte Playlist an Dinner Partys. Regel Nummer eins: «Build slow».

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