17.10.2019, NZZ Bellevue

Von Frisch bis Woolf: Ein neues Schweizer Kochbuch verbindet Weltliteratur mit Rezepten

Gute Gerichte nähren den Körper, gute Bücher den Geist. Mit diesem Verständnis schrieb die 33-jährige Zürcherin Nicole Giger ihr erstes Kochbuch, das am 21. Oktober im «sphères» Vernissage feiert und mit zwei Veranstaltungen Teil von «Zürich liest» sein wird.

Von Stephanie Rebonati

In «Ferrante, Frisch und Fenchelkraut» verknüpft Nicole Giger, die übers Germanistikstudium in den Journalismus fand, Literatur mit Rezepten, Persönlichem und Reiseberichten. Herausgekommen ist eine anregend verfasste und reich bebilderte Publikation, die in zweierlei Hinsicht für Appetit sorgt.

Erstens weil Gerichte wie Kürbis-Amaretti-Lasagne und Brennnessel-Blumenkohl-Suppe mit pikantem Granola und frischen Blüten schlichtweg hungrig machen. Zweitens weil der Blick ins Inhaltsverzeichnis Leselust weckt: Abbas Khider, Max Frisch, Elena Ferrante, Virginia Woolf und Co. Schreiberlinge, die man dank diesem Anstoss erneut oder nun endlich verschlingen will. 

Von Meg Ryans Orgasmus und Opas «Gschwellti»
Wie der Buchautorin die Verknüpfung gelingt? Sie geht von einer Destination aus und paart diese mit einer Zutat. Im Falle der Kartoffel ist es New York, wo jüdische Latkes (knusprig Kartoffelpuffer) mit Apfelmus oder Sauerrahm serviert werden und fester Teil des kulinarischen Programms sind. Als Literatin wählt sie Nora Ephron, die in Manhattan wirkte und 1983 in «Heartburn» der Kartoffel Respekt zollte:«Ich habe Freunde, die beginnen mit Pasta, andere beginnen mit Reis, aber immer, wenn ich mich verliebe, beginne ich mit Kartoffeln. Manchmal Fleisch mit Kartoffeln, manchmal Fisch mit Kartoffeln, aber immer mit Kartoffeln. Ich habe beim Verlieben viele Fehler gemacht und die meisten bereut, aber nie die Kartoffeln, die dazugehörten».

Leckere Latkes gibt es gemäss Giger in der Lower East Side bei Katz’s Delicatessen, einer 1888 gegründeten Institution sowie Schauplatz von Meg Ryans berühmter Orgasmusszene in «When Harry Met Sally» (einem Ephron-Klassiker!). Zwei Seiten weiter bleibt Giger bei der Kartoffel, die nun zur «Gschwellti» wird, und erzählt von ihrem Grossvater, der diese am liebsten mit Leinöl und Quark verspeiste. Abgeschlossen wird das Kapitel mit Joachim Ringelnatz, der ebenfalls etwas auf die Pellkartoffel hielt: «So tröste dich damit, du wundervolle Pellka, dass du eine Edelknolle warst und dass ein Kenner dich verschlingt.»

Von irakischen Auberginen und Goethes Quitten
Was anhand der Kartoffel erklärt sein will: Es sind konzentrische Kreise wie diese, die sich durchs Buch ziehen und so Verbindungen herstellen zwischen feinfühligen Anekdoten, historischen Randnotizen und sogenannt unnützem Wissen (Goethe und Schiller beispielsweise hatten eine Schwäche für das Quittenbrot ihrer Mütter). Durch Abbas Khider liest man über Auberginen im Irak, die während des Handelsembargos von 1991 bis 2003 in Massen vorhanden waren, durch Elena Ferrante wird einem die süditalienische Küche schmackhaft gemacht und so weiter. Und wie es überhaupt zu diesem kontextreichen Buch kam.

2014 startete Giger den Blog «Mags Frisch», um ihre Interessen gebündelt zum Einsatz zu bringen: Lesen, Schreiben, Kochen, Fotografieren und Komponieren. Daraus wurde ein Standbein, und nach dem Einstieg in die Politik («Weil mein Interesse an Menschen sehr gross ist») verliess sie das Schweizer Fernsehen und machte sich selbständig. Ein Buch lag auf der Hand, für eine engagierte Leserin und Schreiberin sowieso. Wer übrigens aufmerksam liest, erkennt rasch, was Nicole Giger im Grunde zu verkünden hat: Geniess das Leben, und zelebriere die Vielfalt!

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