26.11.2019, NZZ Bellevue
Von der Wüste Utahs in die norwegischen Lyngenalpen und weiter nach Vanuatu, einem Inselstaat im Südpazifik – das neu aufgelegte Buch «Remote Places To Stay» hält, was es im Titel verspricht: erreichbare Abgeschiedenheit in Form von entlegenen Unterkünften.
Von Stephanie Rebonati
In der Einleitung dieses Buches schreibt kein Geringerer als Essayist und Autor Pico Iyer, der für seine Reiseliteratur, Romane und Referate bekannt ist. Der Sohn indischer Intellektueller, der in England zur Welt kam, grösstenteils an der US-Westküste aufwuchs und nun seit über 25 Jahren in Nara, Japan, lebt, behandelt in seinen Texten vor allem ein Thema: was der Mensch vom Reisen hat. Nicht vom gängigen Reisen mitsamt Fremdenführer, Sehenswürdigkeiten und sonstigem Programm, sondern von Reisen, die uns ganz bewusst an entlegene Orte lotsen.
Es sei die Abgeschiedenheit, die das schönste Geschenk für uns bereithalte, schreibt der 62-Jährige: «Sie erinnert uns daran, was uns tief im Innern wichtig ist, und zeigt uns, wie und wo wir es finden.» Dass man zur Erlangung dieser Erkenntnis aber nicht unbedingt mehrere hundert Kilometer zurücklegen muss, stellt er zum Glück auch fest, indem er beteuert, dass es «zweifellos auch einen Ort der Abgeschiedenheit ganz in eurer Nähe gibt, egal wo ihr euch gerade aufhaltet».
Nostalgie auf der Kleinen Scheidegg
Ein kurzer Blick auf die Weltkarte dieses Buches, auf der die 22 ausgewählten Destinationen eingekreist sind, bestätigt: Die Schweiz hat es mit dem Berner Oberland ins Register geschafft. Das in fünfter Generation geführte Hotel Bellevue des Alpes wird dafür gelobt, dass es den Glanz vergangener Zeiten heraufbeschwört, dass man anstatt in einem Spa in Originalbadewannen mit gusseisernen Füssen planscht und dass das Hotel nur mit dem Zug, zu Fuss oder auf Ski erreichbar ist.
Ein schneller Blick ins Internet verrät, dass man das alles ab 410 Franken haben kann; ein Doppelzimmer mit Bad inklusive Frühstück und Abendessen mit vier Gängen.Wem die Kleine Scheidegg zu nahe liegt, dem bieten sich weitere 21 Beherbergungen, die alle anhand der fünf Kategorien «Lage», «Geschichte», «Unterkunft», «Essen» sowie «Nicht verpassen» vorgestellt werden.
Etwa der Instagram-Favorit Amangiri in der Wüste Utahs, wo sich die Architekten von Navajo-Stammesangehörigen in Sachen Formensprache und Materialien beraten liessen, um ein mondänes Resort zu gestalten, das lokale Traditionen referenziert und respektiert. Wohl deshalb sind die Gebäude derart schlicht gehalten, so dass sie mit der felsigen Wüstenlandschaft zu verschmelzen scheinen.
Träume in roten Dünen
Einer gegensätzlichen Kulisse begegnet man am nördlichsten Punkt Europas, wo man in den norwegischen Lyngenalpen in einem Blockhaus einkehrt, das acht Zimmer zählt und sich vor allem für Anhänger des Winters eignet: Anscheinend gebe es nach einem langen Pistentag nichts Schöneres, als im Gemeinschafts-Whirlpool die Nordlichter zu bestaunen.
Wem das zu kalt ist, der reist nach Namibia und schläft in einem der Zelte von Wolwedans, einem schicken Öko-Camp, das auf der Website klarstellt: «We are not a hotel», sondern «a collection of dreams». Das klingt nach Romancier Pico Iyer, der sich in diesem Naturreservat bestimmt pudelwohl fühlen würde, denn in den roten Dünen dieses abgeschiedenen Rückzugsorts ist eine Endlosschlaufe von Ruhe, Raum und Versunkenheit sicher.