07.03.2018, NZZ Bellevue
Zwei Australierinnen haben einen stilvollen Pflanzen-Guide publiziert, der für Aha-Momente sorgt. Plötzlich versteht man, weshalb es dem geliebten Schwertfarn so schlecht geht.
Von Stephanie Rebonati
Bilder: Luisa Brimble
Das Stichwortverzeichnis dieses Buches liest sich wie ein dadaistisches Gedicht. Ficus elastica / Ficus longifolia / Ficus lyrata. Oder: Nephrolepis exaltata / Opuntia microdasys / Ox tongue. Ziemlich gut. Doch «Leaf Supply», der soeben erschienene Zimmerpflanzen-Ratgeber der beiden Australierinnen Lauren Camilleri und Sophia Kaplan, hat natürlich weit mehr zu bieten. Lange bevor man den Index am Ende des Buches erreicht, erlebt man unzählige Aha-Momente.
Plötzlich wird einem klar, weshalb der einst buschige Schwertfarn nun so trostlos und dürr in der Ecke steht. Nämlich: Während den Wintermonaten ist das der komplett falsche Ort für ihn. Viel zu nahe an der Heizung, welche die Luft austrocknet, und weil die Sonne im Winter tiefer steht, kriegte der Farn zu viel davon ab und verbrannte förmlich. Schwertfarne mögen es hell sowie feucht und vertragen nur indirektes Licht.
Niemöl für glänzende Blätter
Plötzlich versteht man hingegen auch, weshalb es dem herzblättrigen Philodendron, dem Gummibaum und Zwergpfeffer derart gut geht, denn stehen Pflanzen nahe beieinander erzeugen sie in der Gruppe durch sogenannte Transpiration ein optimales Mikroklima. Und wenn wir schon dabei sind, liegt es vielleicht drin, eine Befürchtung auszusprechen: Ist der Hängende Steinbrech nicht so fit, weil er in seiner nicht-aktiven Wachstumsphase gedüngt und weil seine Erde beim Umpflanzen nicht mit Torf angereichert wurde?
Wer hätte zudem gedacht, dass sich Niemöl zur Befeuchtung von Blättern eignet und sie obendrauf noch vor Krankheiten schützt? Alle 14 Tage leicht besprühen – allerdings erst nachdem man die Pflanze von Staub befreit hat (am besten mit einem leicht befeuchteten Baumwolltuch). Übrigens verleiht das Öl, aus den Samen des Niembaumes gewonnen, matten Blattpflanzen einen natürlichen Glanz. Liest man diesen Guide für glückliche Zimmerpflanzen, erscheinen einem die eigenen sehr rasch im neuen Licht. Sie wandeln sich vom Wohnaccessoire in Mitbewohner um.
Adieu, schwarzer Daumen
«Leaf Supply» kommt zwar wie ein ausgesprochen hübsches Einrichtungsbuch à la australiana daher, ist es aber nicht nur. Man begegnet sattgrünen, opulenten Pflanzen in handgemachten Ton- und Betontöpfen, die neben Rattansesseln und auf Kilimteppichen stehen. Man lernt auch ein paar sehr gutaussehende und gutangezogene australische Keramikerinnen und Stylistinnen kennen, die durch ihre grünen Wohnräume und Ateliers führen. Doch es geht um mehr als Ästhetik. Es ist eine Wissenschaft. Eine, mit der sich jedermann vertraut machen kann, der Lust dazu hat – «black thumb» hin oder her.
Alles begann mit einer Menge toter Sukkulenten, woraufhin sich Art Direktorin Lauren Camilleri eine letzte Chance gab und eine kleine Monstera deliciosa kaufte – ein sogenanntes Köstliches Fensterblatt bei uns, im Englischen ironischerweise «Swiss cheese plant» genannt. Eine unkomplizierte, immergrüne Kletterpflanze mit eleganten, herzförmigen Blättern, die schöne, längliche Schlitze bildet, wenn sie zu wenig Licht erhält.
Camilleri, gezeichnet vom Blättersterben, las Ratgeber um Ratgeber, experimentierte und mutierte schliesslich zum selbsternannten «massive plant nerd». Sie eröffnete den Online-Shop Domus Botanica, in dem es naturellement um Pflanzen und ihre Accessoires geht, tat sich mit der Floral Stylistin Sophia Kaplan zusammen und gründete Leaf Supply, einen wöchentlichen Pflanzenkurier in Sydney. Und nun liegt das gleichnamige Buch vor uns, in dem das Duo sein praktisches Wissen teilt und somit sorgt, dass die «massive plant nerd»-Community wächst und wächst.
Buch: Lauren Camilleri und Sophia Kaplan, «Leaf Supply», Smith Street Books 2018